Das
Leben ist kurz – manchmal sogar zu kurz.
Es
ist ein schöner Dienstagmorgen, als du zur Arbeit gehst. Du bist
grade erst Vater geworden und bist sehr stolz darauf. Du lebst in
Amerika und bist 26 Jahre alt. Du betrittst einen Wolkenkratzer und
fährst mit einen der Shuttel-Express' nach oben in den 94. Stock. Du
betrittst dein Büro und ziehst dein Jackett aus, welches du dann
über deinen Stuhl hängst. Seit etwa einem Jahr arbeitest du hier
oben. Es ist 8 Uhr morgens. Du bist pünktlich zur Arbeit gekommen
und setzt dich vor deinen Computer, welchen du hochfährst.
Es
ist 8:45 und normalerweise wärst du schon längst nach unten
gefahren, um dir einen Kaffee zu holen, aber momentan interessierst
du dich mehr für deine Arbeit. Du hast deinen Bericht fertig
geschrieben und tippst das Datum unter den Bericht: 11. September
2001.
Was
du jetzt noch nicht ahnst: In einer Minute wird dein Leben eine
tragisches Ende nehmen. Dein Kind wird sich nicht an dich erinnern
und deine Frau wird versuchen dich zu vergessen, was allerdings nicht
funktionieren wird. Folglich wird sie voller Trauer damit umgehen
müssen. Durch ihr Kind wird sie besser damit umgehen können.
Du
verlässt dein Büro, weil du dir deinen Kaffee holen möchtest. Was
würdest du tun, wenn du wüsstest, dass du bald sterben wirst?
Würdest du deine Frau anrufen oder würdest du einen Brief für dein
Kind schreiben? Was wäre dein letzter Gedanke? Du würdest
sicherlich keinen Gedanken an Kaffee verschwenden – so wie du es
jetzt tust. Deine letzten Sekunden laufen, als du zum Shuttel-Express
gegangen bist und einen Knopf gedrückt hast. Kurz denkst du an deine
Familie und lächelst. Du bemerkst, dass der Shuttel-Express immer
noch nicht da ist. Ungeduldig drückst ein paar Mal hintereinander
den Knopf.
Plötzlich
spürst du eine Erschütterung und fällst zu Boden. Du vermutest ein
Erdbeben oder ähnliches. Ehe du aufstehen kannst, siehst du, wie
etwas auf dich zu kommt. Es kam durch einer der Fronten des Gebäudes.
Es schien in das Gebäude geflogen zu sein. Ein Flugzeug?! Bevor es
zum Stehen kam, explodierte es und riss dich mit vielen anderen
Menschen in den Tod.
Was
nun mit dir passiert, weiß ich nicht. Schließlich weiß niemand,
was nach dem Tod geschieht. Vielleicht wurdest du wiedergeboren.
Vielleicht wandert deine Seele irgendwo herum oder du bist im
Paradies angelangt – so wie es uns von der Bibel erzählt wird. Ein
Punkt steht jedenfalls fest: Du bist zu früh gestorben – dein
Leben war zu kurz.
Was
für einen Sinn hatte dein Leben? Konnte es überhaupt einen Sinn
haben, wenn du nur 26 Jahre alt geworden bist? Was für einen Sinn
hat es, wenn einer Familie der Vater genommen wird.
Kann
mein Leben überhaupt schon einen Sinn haben? Schließlich bin ich
erst 17 Jahre alt, gehe zur Schule, lebe noch bei meinen Eltern und
habe noch nichts erreicht – bis auf einen erweiterten
Realschulabschluss. Wenn ich jetzt sterben würde, würde sich schon
bald niemand mehr an mich erinnern. Denn die, die sich noch an mich
erinnern würden, sterben früher oder später auch. Ich bin nicht
Goethe oder Schiller, die etwas geschaffen haben, an das sich die
Menschheit erinnert. Ich gehe wie ich gekommen bin – alleine.
An
einige Berühmtheiten wird man sich erinnern, wenn sie gestorben sind
und an andere nicht. Einige bleiben im Gespräch auch über den Tod
hinaus. Man muss etwas wichtiges geschaffen oder getan haben.
Allerdings erinnert man sich auch an das Böse. Man wird sich über
Jahrhunderte hinweg an Napoleon, Adolf Hitler oder Osama bin Laden
erinnern.
Oft
denke ich daran – vor allen Dingen beim Schreiben von Geschichten
–, dass man sich nicht an mich erinnern wird, wenn ich erst einmal
gestorben bin. Eigentlich könnte es mir egal sein – so wie vielen
anderen auch –, aber das ist einer der Faktoren, warum ich keinen
Sinn meines Daseins finde. Ich habe nämlich nichts geschaffen –
weder guter, noch böser Art.
Gandhi
hatte einst gesagt: „Was auch immer du im Leben tust, wird
unbedeutend bleiben, aber es ist wichtig, dass du es tust, da es
niemand sonst tun wird.“
Wilhelm
Schmid hat mal gesagt, dass der Sinn des Lebens aus einem roten Faden
besteht. Das Leben ist geleitet von einem roten Faden – wie in
einer Geschichte. Wenn man versucht Zusammenhänge zwischen allen
roten Fäden zu finden und Theorien aller Art aufstellt, ist man
wahnsinnig.
Folglich
müsste ich auch wahnsinnig sein, weil ich krampfhaft versuche,
herauszufinden, warum ich lebe, warum es die Menschheit gibt und was
für einen Sinn das Ganze hat. Wie ist das Leben? Man kommt, geht
seinen Weg des Lebens und irgendwann stirbt man.
Aber
man sagt auch, man sei wahnsinnig, wenn man immer wieder einen selben
Versuch macht, aber ein anderes Ergebnis erwartet. Dann wäre ich
nicht wahnsinnig.
Letzten
endlich denke ich jedoch, dass das Leben ein Geschenk ist und man
selber dafür verantwortlich ist, was daraus wird. Trotzdem finde ich
den Sinn in meinem Leben nicht, weil ich nicht weiß wofür ich lebe.
Möglicherweise werde ich den Sinn meines Lebens in ein paar Jahren
finden, wenn ich älter bin und es einen Sinn zum Leben gibt.
Oder
ist doch alles nur sinnlos und wir leben nur wegen einer Laune der
Natur. Haben wir uns nur weiterentwickelt, weil es einfach Zufall
war? Ist alles nur Zufall? Oder steckt Gott oder eine andere höhere
Macht hinter allem?